Wer kennt das nicht: Mann oder Frau fährt in den Urlaub – und denkt sich: Schön, eine und dieselbe Sprache. Spätestens beim Aufschlagen der Speisekarte oder beim Besuch in einer Bäckerei würde man am Liebsten verzweifelnd einen Dolmetscher aufsuchen. Peinliches Schweigen gegenüber der Verkäuferin? Mit ein bisschen Hintergrundwissen gar nicht nötig. Ich verrate euch einmal meine Erlebnisse und Know-How rund um Brötchen, Krapfen, Bagel und Bretzel. Dann steht dem vollgedeckten Frühstückstisch zu Hause (oder leeren Magen) nichts mehr im Wege…
Meine ersten „Brötchen“-Berühungspunkte
Ich kam mit 10 Jahren erstmals nach Bayern, wollte Brötchen kaufen und scheiterte kläglich. Die Verkäuferin, in ihrer hübschen, akkurat gebügelten Rüschenschürze redete für mich unverständliche Wortfetzen. Mir blieb nichts anderes übrig, als mit dem Finger auf das zu zeigen, was ich kaufen wollte. „Mädl, des san Semmeln!“ - na vielen Dank für den Hinweis. Heute muss ich immer beim Betreten einer Bäckerei in Gedanken wie ein Mantra sagen „Brötchen sind Semmeln, Brötchen sind Semmeln“.
Semmeln, Brötchen, Schrippen, Wecken, Rundstück… wie jetzt?
Das funktioniert nur leider auf Grund diverser Dialekt im deutschen Sprachraum nicht überall, in Berlin heißt das runde Gebäck „Schrippen“, in Hessen „Wecken“, in Niedersachen mancherorts auch „Rundstück“, da kann man ja nur durcheinander kommen.
Bagel sind aus Polen?
Und dann gibt es neuerdings immer mehr Frühstücksbagel, diese kommen gar nicht, wie ich dachte aus den USA, sondern ursprünglich aus Krakau, wo sie bereits 1610 erstmalig erwähnt wurden – von wegen neumodisches Zeug. Kleiner Tipp: einen leckeren Bagel zum Frühstück gibt es auch im andel’s by Vienna House Cracow :-).
Brezen, Bretzel oder Bretze?
Wer lieber eine Brezen, Bretzel oder Bretze bestellt, der befindet sich sprachlich weniger auf linguistischem Glatteis – klingt doch alles ziemlich ähnlich. Aber wer hätte gewusst, dass der Name sich aus dem Lateinischen Wort für „Arm“ also brachium ableitet und die Form an verschränkte Arme erinnert? Damit ist die Bretzel ein sogenanntes Gebildbrot, also ein Gebäck, das eine Figur darstellt. Mir kommt hier gleich der Weckmann in den Sinn, den es bei mir Zuhause immer am Martinstag gab. Wochenlang habe ich mich auf den sanften milchig-süßen Geschmack des Stutenkerls gefreut. Die Rosinen und den Teil mit der Gipspfeife habe ich mir immer bis zuletzt aufbewahrt.
Pfannkuchen vs. Krapfen
Apropos Gebildbrot – stellt ein Berliner eigentlich einen Berliner dar? Natürlich nicht – ursprünglich hieß diese im Fett gebackene Köstlichkeit „Berliner Pfannkuchen“, weshalb der Berliner dazu lieber Pfann(e)kuchen sagt und alle anderen Berliner oder auch Krapfen. Über 1.200 Kleingebäcksorten und 300 Brotsorten findet man in deutschen Bäckereien. Das ist weltweit die größte Vielfalt und daher ist die Brotkultur in Deutschland auf der Liste des immateriellen Kulturerbes der UNESCO.
Essbare Kultur mit betörendem Duft goldig gebacken, körnig, knusprig, warm,… ich kann nicht weiter schreiben, ich muss zum nächsten Bäcker :-).
60 Reaktionen auf “„Brot essen ist keine Kunst, aber Brot backen“ – oder: Was man über „deutsche Brotkultur“ wissen sollte”