Vom Trend zur Tradition, von der Tradition zum Trend. Unter Individualisten braut sich etwas zusammen – nämlich individuell verfeinertes Bier. Eine Reise um den Globus führt uns von Hopfen-Hipstern bis hin zum traditionellen Brauhaus in Tschechien, genauer gesagt: nach Pilsen.
© Barley & Hops, Gestalten 2014
STAY | Vienna House Easy Pilsen
Eines vorneweg: Einfach mal so sein eigenes Bier brauen mag nicht sonderlich schwer erscheinen, doch Obacht: Zum Bierbrauen braucht man neben reichlich Fantasie auch eine gesunde Portion Sorgfalt. Und das macht die Sache zur Kunst. Der Mensch erkannte das schon früh. Mancher glaubt gar, dem Bier sei die Zivilisation zu verdanken, schließlich habe erst der Anbau des frühen Rausch-Getreides den Jäger und Sammler sesshaft werden lassen. Was zumindest jedem einleuchten dürfte, der schon mal mit einem anständigen Kater versucht hat, eine Wanderung zu machen. Von da war der Weg bereitet für das Bier und es zog hinaus in die Welt.
Doch die Globalisierung brachte auch den Nachteil mit sich, dass das Bier immer mehr verwässerte, denn um eine möglichst breite Zielgruppe anzusprechen, verloren die Biere ihren individuellen Charakter. Vor allem in Amerika war dieses Phänomen sehr verbreitet. Kurzerhand begannen dort schon in den 1980er-Jahren Individualisten damit, ihr eigenes Bier zu brauen. Das war die Geburtsstunde von Craft-Bier. Mutige Biere von unabhängigen Brauern. Und die kommen aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten: vom Käsehändler über den Studenten, vom Künstler bis zum Fernsehsprechanlageningenieur. Mag dem Kunden heute Pilsener, Weizen, Altbier und Kellerbier geläufig sein, spätestens bei einem India Pale Ale bedarf es Kennerschaft.
© Barley & Hops, Gestalten 2014
Noch individueller wird es bei Namen wie: Dubbel, Brown Ale, Märzen, Barley Wine, Porter, Imperial Stout oder Tripel. Die Szene der Hopfen-Hipster ist mittlerweile so weit gereift, dass sie ihre eigenen Stars hervorbringt. Wie Mikkel Borg Bjergsø aus Dänemark, der bis Tokyo und San Francisco vertreibt und mit seinem Geschäft mehrere Millionen im Jahr einnimmt. Und mit ihm schließt sich dann auch wieder der Kreis vom Trend zur Tradition. Denn die Geschichte von ein paar überzeugten Individualisten, die beschließen fortan ihr eigenes Bier zu brauen, ist zugleich auch die Geschichte einiger der traditionsreichsten Brauereien der Welt, wie der des Pilsener Urquell im tschechischen Pilsen zum Beispiel.
Dort reagierten schon Anfang des 19. Jahrhunderts einige brauberechtigte Bürger auf die schlechte Bierqualität, indem sie ihr eigenes Bier brauten. Für die Herstellung nutzten sie den Saazer Hopfen aus den traditionellen Anbaugebieten in Nordböhmen. Der Rest ist Geschichte. Bis heute.
Der Brauprozess
© Benedeikt Rugar, Barley & Hops, Gestalten 2014
Schroten
Am Beginn jedes Brauprozesses steht das physikalische Aufbrechen des Malzkorns. Die Malzkörner werden mit einer Mühle zerkleinert, die im Korn enthaltene Stärke tritt aus ihrer Hülle heraus und in Kontakt mit Wasser.
Maischen
Beim Maischen werden Malzschrot und Wasser zu einem Getreidebrei vermengt und erhitzt, damit sich die Stoffe aus dem Malz lösen. Mithilfe bestimmter Temperaturstufen wird versucht, die gewünschte Zusammensetzung aus Eiweißen, vergärbaren und unvergärbaren Zuckern zu erhalten.
Läutern
Läutern heißt der Prozessschritt, bei dem die Spelzen und Schwebestoffe, auch Treiber genannt, in einem Läuterbottich von der Vorderwürze getrennt werden. Anschließend geben die Brauer heißes Wasser dazu, um den restlichen Zucker auszuschwemmen.
Würze kochen
Unter Zugabe von Hopfen wird die Vorderwürze in der Sudpfanne gekocht. Durch Kontrollieren der Verdampfungsmenge können die Brauer die Stammwürze justieren und damit auf den gewünschten Alkoholwert einstellen.
© Barley & Hops, Gestalten 2014
Ausschlagen und kühlen
Nach dem Kochen wird die Würze ausgeschlagen, das heißt, die verbliebenen festen Stoffe werden von der Würze getrennt. Dies geschieht in einem Whirlpool. Das Abkühlen sollte nicht länger als 30 bis 60 Minuten dauern, um Infektionen und Fehlgeschmack zu vermeiden.
Gärung
Bei der Gärung verarbeiten Hefezellen die in der Würze gelösten Zucker zu gleichen Teilen zu Alkohol und Kohlensäure. Für diesen Vorgang liegt das Bier normalerweise rund eine Woche im Gärtank. Die Gärung geschieht in zwei Phasen. Es gilt: Je wärmer die Gärtemperatur, desto mehr Aroma.
Lagerung
Nach der Hauptgärung erfolgt die Lagerung und Reifung des Bieres. Untergärige Biere reifen bei 0 Grad Celsius, obergäriges Bier erst bei 15 bis 20 Grad, dann noch zehn bis zwölf Tage bei 10 Grad. Vollbiere wie Pils lagert rund vier Wochen, Starkbiere länger.
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